Turbo für die Kreativität – Booster für die Effizienz

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Hingucker-Fotos, eingängige Texte und Slogans, überzeugendes Storytelling – davon lebt das Marketing. Und generative künstliche Intelligenz (GenAI) liefert es, immer schneller und immer besser: ChatGPT schreibt Newsletter auf Basis von wenigen Stichworten (Prompts), DALL-E kreiert anhand von Kundendaten individualisierte Modebilder und das von OpenAI entwickelte Sora erstellt aus Textvorgaben erste Videos. Smarte Tools wie diese haben einen beispiellosen Hype um GenAI ausgelöst – ganz besonders in Marketing und Werbung. Denn kaum ein anderes Geschäftsfeld ist so abhängig von Content und Kreation. Und nirgendwo sonst zeigt sich die disruptive Wirkung von GenAI-Einsätzen plastischer als hier. Welches Potenzial in der neuen Technologie für das Marketing steckt und was es braucht, um die Risiken zu kontrollieren, zeigen die nachfolgenden Anwendungsbeispiele und Analysen.

Vorreiter im Vorteil

In einigen Marketingabteilungen und Werbeagenturen ist GenAI bereits angekommen. Nach Untersuchungen von McKinsey nutzen aktuell 35 Prozent der Marketer künstliche Intelligenz, um Texte zu erstellen oder zu optimieren, 36 Prozent generieren Bildinhalte, und 35 Prozent suchen mit GenAI nach Inspiration, indem sie beispielsweise die KI nach Ideen fragen für einen Social-Media-Post zum Verkauf von Sonnenbrillen an eine bestimmte Zielgruppe.

30 Minuten

benötigt ein Copywriter im Monat für Contentmarketing mit GenAI, statt vorher 30 Stunden.

Die frühzeitige Erfahrung im Umgang mit der neuen Technologie kann den Pionieren wertvolle Wettbewerbsvorteile verschaffen. So nutzt die Unterwäschemarke Adore Me, die seit Anfang 2023 zu Victoria's Secret gehört, GenAI-Tools gleich mehrfach: für die Erstellung von Produktbeschreibungen, im E-Commerce, zur Suchanfragenoptimierung und für die Kreation von Werbebildern ihres neuen Parfüms. Und der KI-Einsatz zahlt sich bereits aus – Beispiel Produktbeschreibungen: 40 Prozent mehr Traffic bei 30 Stunden weniger Erstellungsaufwand pro Monat und Copywriter. Um 120 Produkte zu bearbeiten, benötigt dieser jetzt nur noch insgesamt 30 Minuten im Monat.

REVOLVE, ein Premium-Modehändler mit den Zielgruppen Millennials und Gen Z, nutzt GenAI für die automatische Entwicklung von Content und Kampagnen. Im April 2023 sahen Fahrende auf dem California Interstate Highway zahlreiche Werbeplakate der Marke mit Testimonials vor surrealfuturistischen Hintergründen. Sämtliche Bildmotive, inklusive der Models, waren KI-generiert. Für die Realisierung der Kampagne holte REVOLVE die Agentur MAISON META an Bord, die sich auf KI-gestütztes Marketing spezialisiert hat. Auch PANGAIA, ein britisches Unternehmen für innovative Materialien, setzt auf KI-generierte Werbung für seine umweltfreundlichen Textilprodukte. In der Sommerkampagne 2023 präsentierte das Unternehmen seine Streetwear-Kollektion in einem virtuellen botanischen Ambiente, um sein Geschäftsmodell – die Verknüpfung von Innovation und Nachhaltigkeit – visuell zu unterstreichen.

Breites Anwendungsspektrum

Bei den rasanten Fortschritten, die GenAI innerhalb der vergangenen Monate gemacht hat, dürften die Pionierkampagnen im Fashion- und Beauty-Segment erst der Anfang sein. Künstliche Intelligenz wird die Content-Erstellung grundlegend verändern – auch über die klassischen Werbekanäle hinaus. Denn text- und bilderzeugende Tools werden stetig besser und die KI-generierte Produktion von Videos steht kurz vor dem Durchbruch. Das öffnet insbesondere dem Social Media Marketing noch einmal ganz neue Türen. GenAI macht indessen bei der Kreationsunterstützung nicht hat. Weitere Schubkraft gewinnt die neue Technologie dadurch, dass sie sich über die unmittelbare Content-Erstellung hinaus breitflächig nutzen lässt. Die Anwendungsfälle erstrecken sich über den gesamten Marketingprozess, angefangen bei der Generierung von Kundendaten und Kreativkonzepten über die Produktion und Anpassung von Content bis zur Unterstützung von internen Prozessen und Kundenservices.

Daten, Planung und Konzepte. Ein erstes großes Anwendungsfeld bietet die Fülle an vorhandenen Kundendaten. GenAI übernimmt automatisch das Sammeln, Bündeln und Aufbereiten interner und externer Informationen. Sie identifiziert, segmentiert oder erweitert Zielgruppen und passt Mediapläne an neue Marktgegebenheiten an. Die Erstellung von Kampagnenkonzepten und Agenturbriefings sind weitere Anwendungsgebiete, in denen GenAI werbetreibenden Unternehmen Zeit und Kosten sparen kann.

Content-Management und Monitoring. Ein klassischer Einsatzbereich von GenAI im Marketing ist das automatische Erstellen, Bearbeiten und Prüfen von personalisierten Werbeinhalten. Selbst verborgenen Content, den das menschliche Auge – etwa in Videos – nicht oder nur unbewusst wahrnimmt, kann die KI granular erfassen und sichtbar machen. Wertbeiträge leisten die intelligenten Tools zudem bei Media-Mix-Optimierungen und der Anpassung von Marketingbudgets.

Interne Prozesse und Kundenservice. Das Anwendungsspektrum von GenAI in den Backoffices erstreckt sich über nahezu alle Bereiche des Marketingmanagements und der Verwaltung – vom automatisierten Reporting bis zur Risikobewertung von Kampagnen. Im Kundenservice wiederum übernehmen KI-generierte Chatbots die Bearbeitung von Anfragen und helfen mit individualisierten Produktvorschlägen bei der Kaufentscheidung. Nach McKinsey-Analysen führen GenAI-Anwendungen im Kundenservice zu vier Mal höheren Konversionsraten.

Leichtere Kundengewinnung...

Die ökonomischen Effekte aus dem breitflächigen GenAI-Einsatz sind beachtlich: Je nachdem, wie konsequent sie die technischen Möglichkeiten nutzen, können Unternehmen zwischen 20 und 40 Prozent ihrer Marketingkosten einsparen, ohne die Intensität ihrer Werbeaktivitäten zu verringern. Gleichzeitig reduziert sich der Zeitaufwand für die Erstellung einer Kampagne um 50 bis 80 Prozent.

Bis zu 

40%

können Marketer mit KI-generiertem Content einsparen, ohne den Werbedruck zu verringern.

Neben den Einsparpotenzialen bei Kosten und Zeit birgt die generative künstliche Intelligenz aber auch neue Wachstumschancen für das Marketing. Nach McKinsey-Schätzungen können GenAI-Anwendungen die Konversionsrate um ein Fünftel oder sogar bis zu 40 Prozent steigern. Diese Kennzahl zählt zu den wichtigsten Erfolgsindikatoren im Online-Marketing, weil sie jede Aktivierung von Website-Besuchern misst – sei es eine Newsletter-Anmeldung, die Kontaktaufnahme zum Anbieter oder auch der Kauf eines Produkts. Die höhere Konsumentenaktivierung macht die Marketingmaßnahmen zugleich deutlich effektiver: Nach unseren Analysen ist eine bis zu 30-prozentige Steigerung des Marketing Return of Investment (MROI) möglich.

… durch bessere Personalisierung

Der positive Effekt auf die Kundenansprache liegt vor allem darin begründet, dass GenAI die Personalisierung von Content erleichtert und auf ein neues Level hebt. So reichen schon wenige Klicks, um standardisierte Textvorlagen und Bildmaterialien mithilfe von GenAI an bestimmte Kundentypen und individuelle Präferenzen anzupassen. Auch Kundenkommentare, Nachrichten und Feedbacks können umgehend textlich erfasst und für frischen Marketing-Content genutzt werden.

Angesichts des steigenden Kundenbedürfnisses nach persönlicher Ansprache liegen die Vorteile von GenAI-Einsätzen für das Content-Marketing auf der Hand: Vorreiter wie die Kosmetikkonzerne Estée Lauder oder L’Oréal steigern mit personalisierter Werbung nicht nur ihre Reichweite, sondern experimentieren bereits mit digitalen Hautdiagnose-Features, um dann ihrer Kundschaft per App oder im Laden individuell abgestimmte Hautpflegeprodukte der eigenen Marke anzubieten. Wie geschäftsrelevant personalisiertes Marketing geworden ist, zeigen aktuelle Konsumentenumfragen von McKinsey: Mehr als 70 Prozent erwarten heute eine persönliche Kundenansprache und über 80 Prozent würden bei einem Unternehmen öfter einkaufen, wenn es seine Angebote personalisiert.

72 Prozent der Gen Z sind sogar bereit, einen Aufpreis von 10 Prozent oder mehr für ein Produkt zu bezahlen, wenn sie persönlich durch den Kaufentscheidungsprozess geleitet werden.

AI-Risiken kennen und vermeiden

Die Praxisbeispiele belegen: Echtes 1:1-Marketing scheint mit GenAI-Anwendungen so greifbar wie nie. Tatsächlich aber stellt es bei näherer Betrachtung eine der größten Herausforderungen dar. Marketer brauchen vor allem Antworten auf die Frage, wie sie mit KI-typischen Risiken umgehen sollen Im Marketingalltag gibt es vor allem drei Gefahrenpunkte, auf die besonderes Augenmerk gelegt werden sollte:

Missachtung von Urheberrechten. Es kann schnell ziemlich teuer werden, wenn Unternehmen gegen Urheber- und Lizenzrechte verstoßen. Gerade wenn Bild-, Text- oder Videomaterialien mit KI-Hilfe erstellt werden, ist das Risiko groß, dass intellektuelles Eigentum verletzt wird. Datenschutzverletzungen. Der Umgang mit Daten ist der zweite große Risikoblock. Die in GenAI-Tools verwendeten Kundendaten dürfen nur im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) genutzt werden. Unternehmen, die auf Nummer sicher gehen wollen, richten ihre IT-Umgebungen selbst ein und bauen hierzu entweder eigene Lösungen oder spezifizieren an den entsprechenden Schnittstellen den Datenlauf ganz genau. So umgehen sie die Nachteile von Open Source Tools wie ChatGPT, die z.B Textbausteine von Nutzenden verwenden, um das eigene Modell weiter zu trainieren.

Diskriminierung. KI-generierte Bilder oder Texte können nicht nur sachliche Fehler enthalten. Suchmaschinen und Programme, derer sich die KI bedient, können beispielsweise auch rassistische oder sexistische Stereotypen verwenden und diese unbemerkt weitergeben. So fand die Washington Post vergangenes Jahr in einer Recherche heraus, dass die generierten Bilder zu Prompts wie „eine produktive Person“ ausnahmslos weiße und überwiegend männliche Personen darstellten, während die KI zum Prompt „Person auf einem Sozialamt“ durchgängig Menschen mit dunkler Hautfarbe zeigte.

Aus Scheu vor den KI-Risiken setzen die meisten Marketer nach wie vor lieber auf manuell entwickelte Kampagnen und Einheitswerbung ohne individuellen Zuschnitt – auch wenn neun von zehn Vorständen grundsätzlich überzeugt sind, dass künstliche Intelligenz ihre Branche positiv verändern wird. Nach einer globalen Umfrage des McKinsey Global Institute führen erst 17 Prozent der Unternehmen Pilotprojekte zu GenAI-Anwendungen durch. Nur 11 Prozent davon werden anschließend in der Organisation implementiert und lediglich 2 Prozent der Initiativen erreichen am Ende das gewünschte Ziel.

Mehr als

70%

der Werbezielgruppen erwarten personalisierte Kundenansprache.

Die Zahlen zeigen: Bis zur GenAI-Transformation im größeren Stil ist es für viele noch ein langer Weg. Um ihn erfolgreich zu beschreiten, braucht es im Unternehmen klar definierte Regeln und Grenzen. Menschliche Kontrollinstanzen im gesamten Marketingprozess können zudem sicherstellen, dass Ermessensspielräume der GenAI und ihr qualitativer Output laufend überprüft werden. Ein strategischer KI-Einsatzplan hilft dann, die Anwendungen im Unternehmen zu koordinieren und die nötigen Fähigkeiten aufzubauen. Ein „Center of Excellence“ könnte hier vor allem zwei Aufgaben übernehmen: Erstens die einer übergeordneten Governance, die den Ansatz des Marketings zur Verwendung von GenAI mit dem Gesamtunternehmen harmonisiert, Budgetprozesse steuert und Rahmenbedingungen zur Eindämmung möglicher Risiken setzt. Und zweitens die Bereitstellung einer KI-geeigneten technischen Infrastruktur, die das Marketing wie einen internen Service nutzen kann. In diesen Kontext gehören auch anwendungsorientierte Mitarbeitertrainings, um das Potenzial und die Risiken der Tools kennen und einschätzen zu lernen. Denn allzu oft scheitert die erfolgreiche Implementierung von GenAI heute noch an mangelnden Kenntnissen und Fertigkeiten in den Marketingabteilungen und Teams.

Richtig starten – als Taker, Shaper oder Maker

Vor den ersten GenAI-Einsätzen bleibt für Marketingorganisationen dann noch eine spannende Frage zu klären: Wollen sie „Taker“ sein, die GenAI als Service nutzen und Tools erst implementieren, wenn sichere, marktreife Produkte zur Verfügung stehen? Oder sehen sie sich eher als „Shaper“, die vorhandene GenAI-Angebote mit eigenen Bordmitteln an ihre Bedürfnisse anpassen – oder wollen sie gar „Maker“ sein, die neue Modelle in Eigenregie entwickeln und damit branchenübergreifend Maßstäbe setzen? Letzteres dürfte für Unternehmen außerhalb des Tech-Sektors noch weitgehend Zukunftsmusik sein. Doch für anwendungsorientierte Konsumgüter-, Mode- oder Handelsunternehmen sind die Nutzungsmöglichkeiten als Taker bereits groß.

Besonders vielversprechend, weil rasch umsetzbar, ist der praktische Einstieg über automatisierte Text und Bilderstellungen und KI-generierte Anpassungen von Werbeinhalten. Aber auch die KI-gestützte Erstellung von Kampagnenkonzepten, suchmaschinenoptimierten Texten und personalisierten Push-Nachrichten oder die Generierung von Content-Varianten für A/B-Tests versprechen rasch messbare Erfolge. Mit der richtigen Strategie und einer ausgewogenen Handhabung der Risiken entfalten diese und weitere Quick-Win-Anwendungen nach den bisherigen Analysen ein schnell zu hebendes Potenzial, auf das Unternehmen nicht länger verzichten sollten.

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