„Weltweit gewinnt die E-Mobilität weiter an Fahrt – die Industrie steht vor dem größten Umbauprozess ihrer Geschichte“, sagt Andreas Tschiesner, Senior Partner im Münchner Büro und Leiter der europäischen Automobilberatung. von McKinsey „Immer mehr Autohersteller geben konkrete Ausstiegsdaten für den Verbrennungsmotor bekannt, das Kundeninteresse wächst weiter und die Regulierung wird verschärft.“ Dieser Wandel betrifft insbesondere fünf Bereiche:
Neue Wertschöpfungsketten: Neue Mobilitätsformen erfordern neue Komponenten wie zum Beispiel Batterien, E-Motoren und Leistungselektronik für Elektrofahrzeuge. Diese wachsenden Komponentengruppen werden 2030 mehr als die Hälfte des Marktes ausmachen. Klassische Verbrennungsmotor-Teile wie Getriebe, Motoren und Einspritzsysteme stehen dann nur noch für 10% des Marktes für Autokomponenten – eine Schrumpfung auf die Hälfte. Nach einer Schätzung des ifo-Instituts werden 100.000 Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie von diesem Wandel betroffen sein – dies ist 5-10 Mal mehr als beim Kohleausstieg.
Ausbau der Batterieproduktion: Um die PKW-Nachfrage zu bedienen, muss die Batterieproduktion in der EU um den Faktor 16 ausgebaut werden – auf 786 GWh im Jahr 2030. Der Batteriemarkt entwickelt sich dabei sehr dynamisch: Neben bekannten Herstellern, die 2030 für 29% des Volumens stehen, werden Joint Ventures von Autoherstellern (30%) und Startups (24%) eine gewichtige Rolle spielen.
Flächendeckende Ladeinfrastruktur: Die erste Generation der E-Auto-Besitzer lud ihre Autos vor allem zu Hause – 80% der Käufer hatte Zugang zu einer privaten Ladestation. „Die nächste Generation wird viel stärker auf öffentliche und halböffentliche Ladepunkte angewiesen sein; so leben zum Beispiel mehr als 50% der Europäer in Mehrfamilienhäusern. „Die Industrie muss daher bis 2030 15.000 Ladepunkte, beispielsweise an Arbeitsplätzen, neu in Betrieb nehmen – und das jede Woche“, sagt Patrick Schaufuss, Partner im Münchner Büro von McKinsey. „Außerdem müssen Hersteller und Energieversorger die Voraussetzungen für ein smartes Laden schaffen, das Stromnachfrage und Angebot zusammenbringt.“
Dekarbonisierung der Produktion: Über den gesamten Lebenszyklus – rund 240.000 km für ein Mittelklassefahrzeug – hat ein batterieelektrisches Fahrzeug im Vergleich zu einem Verbrenner einen CO2-Vorteil zwischen 65% und 80%. Da E-Autos im Betrieb bei Ladestrom aus erneuerbaren Energien annähernd CO2-neutral sind, rücken die Emissionen aus der Fahrzeugproduktion in den Fokus. Diese sind heute für batterieelektrische Fahrzeuge rund 80% höher als für einen Verbrenner, können allerdings – bis zu einem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien – durch einen erhöhten Anteil von recyceltem Material und die Verwendung von „grünen“ Rohmaterialien reduziert werden.
Weitere Schritte zum 55%-Ziel nötig: „Trotz der intensiven Anstrengungen und der bestehenden Regulierung reichen die aktuellen Schritte noch nicht aus, um das Klimaschutzziel von minus 55% CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu schaffen“, sagt Schaufuss. Zwar wird die Neuwagenflotte im nächsten Jahrzehnt immer emissionsärmer werden, allerdings dauert die Erneuerung der gesamten Pkw-Flotte länger. Die Nutzung von Bio- und synthetischen Kraftstoffen, eine Reduktion der Kilometer, die mit Verbrennern gefahren werden, intelligente Verkehrssysteme mit weniger Staus sowie eine Förderung der Erneuerung des Bestandes sehr alter Verbrennermodelle sind mögliche Hebel, um das 55%-Ziel zu erreichen.