Insgesamt ist das globale Produktivitätswachstum in den vergangenen Jahrzehnten eine Erfolgsgeschichte. Zwischen 1997 und 2022 hat sich die globale Arbeitsproduktivität gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf weltweit von 7.000 auf 41.000 US-Dollar (Median) versechsfacht. Die Fortschritte werden allerdings immer stärker durch die Schwellenländer getrieben. Der Produktivitätsanstieg in vielen Industrieländern ist dagegen ins Stocken geraten. So sind China und Indien für 50% des Wachstums im angegebenen Zeitraum verantwortlich, während die Region Westeuropa mit 7% am wenigsten zum globalen Produktivitätswachstum beigetragen hat. Denn in vielen Volkswirtschaften stagniert die Produktivität oder steigt nur noch langsam. Das gilt auch für Deutschland. So lag das Produktivitätswachstum hierzulande zwischen 1997 und 2007 noch bei 1,6% und halbierte sich im Zeitraum 2012 bis 2019 auf 0,8%. Dies geht aus der neuen Studie des McKinsey Global Institute (MGI) mit dem Titel „Investing in productivity growth“ hervor.
Der Studie zufolge sind Investitionen die wichtigste Triebkraft für Produktivitätswachstum. So haben die Länder und Regionen mit dem stärksten Produktivitätswachstum wie China, Indien, Teile Mittel- und Osteuropas und weitere asiatische Länder mit 20 bis 40 Prozent ihres BIP anhaltend hohe Investitionen getätigt – unter anderem in die Urbanisierung und den Aufbau einer modernen Infrastruktur. Würden die Industrieländer mithilfe von Investitionen ihr Produktivitätswachstum von vor der globalen Finanzkrise wieder erreichen, könnten sie bis 2030 ein zusätzliches BIP pro Kopf zwischen 1500 US-Dollar in Japan und 8000 US-Dollar in den USA erzielen. Auch in Deutschland ist das Potenzial mit einem zusätzlichen BIP pro Kopf von 3700 US-Dollar erheblich. „Produktivitätswachstum ist heute dringender denn je, um den Lebensstandard vieler Menschen weiter zu verbessern und die Löhne zu erhöhen. Es ist auch die richtige Antwort auf den demografischen Wandel und Finanzierungsfragen rund um die Reduktion der Treibhausgasemissionen“, sagt Jan Mischke, MGI-Partner und Co-Autor der Studie. „Deutlich höhere Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur sowie den industriellen Wandel bieten dabei das Potenzial, einen neuen Produktivitätsschub auszulösen, um den Wohlstand zu erhalten und weitere Fortschritte zu machen.“
Niedrige Investitionen und Wirtschaftsstruktur Hauptgründe für schwache Produktivität
Ähnlich wie in anderen Industrieländern sind die Netto-Investitionen in Deutschland im internationalen Vergleich seit langem niedrig. Im Gegensatz zu ihnen sind sie in Deutschland jedoch nicht erst nach der globalen Finanzkrise, sondern bereits nach der Dotcom-Blase auf unter 2% des BIP eingebrochen und haben sich trotz des starken Beschäftigungswachstums seitdem nicht nennenswert erholt. Dies ist in etwa die Hälfte des ebenfalls relativ niedrigen Niveaus in den USA oder Frankreich. Gleichzeitig hat Deutschland nicht in gleichem Maße vom starken Produktivitätswachstum bei Dienstleistungen und im Einzelhandel profitiert und verfügt über einen schnell wachsenden, aber kleineren Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Sektor.
„Wichtig ist es, da anzusetzen, wo der Schuh derzeit drückt: Bei der Investitionstätigkeit und der digitalen Transformation. Dabei gibt viele Ansatzpunkte, um Investitionen zu stimulieren, aber einer sticht besonders hervor: Eine starke Konjunktur und Nachfrage bringen Unternehmen am besten dazu, in Automatisierung und Kapazitätserweiterungen zu investieren. Das ist in den USA bereits sichtbar, Europa kann noch mehr tun. Daneben muss in den industriellen Wandel investiert werden: Investitionen in KI, Digitalisierung, aber auch Fortschritte im Bereich Cleantech könnten gerade Europa voranbringen“, sagt Jan Mischke.
Über das McKinsey Global Institute (MGI)
Das McKinsey Global Institute (MGI) erstellt als Forschungseinrichtung von McKinsey & Company regelmäßig Studien zu ökonomischen Fragen und Trends. Gegründet wurde der Think Tank 1990 in Washington D.C.