Energiewende: Strombedarf steigt bis 2035 weniger stark als erwartet – bis zu 300 Mrd. Euro geringere Investitionen in Erneuerbare und Netze möglich

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Der Nettostromverbrauch in Deutschland könnte in den kommenden Jahren nicht so stark steigen wie in den aktuellen regulatorischen Planungen angenommen. Die schwache Wirtschaftslage sowie der verzögerte Hochlauf von Elektromobilität, Einbau von Wärmepumpen sowie Aufbau von Elektrolysekapazitäten für grünen Wasserstoff führen dazu, dass bei einem Fortschreiben aktueller Entwicklungen („Trendpfad“) im Jahr 2030 der Nettostrombedarf bei jährlich 530 TWh liegt – deutlich unter der Annahme der EEG-Novelle von 670 TWh, aber weit über dem Wert von 2022 (480 TWh). Auch 2035 würde der Strombedarf mit dann 635 TWh unter den Annahmen des Netzentwicklungsplans von 774 bis 1002 TWh liegen. Mit einem Ausbau der Kapazitäten für Erneuerbare Energie sowie des Netzes, der sich am tatsächlichen Bedarf orientiert, könnten die Investitionen bis 2035 von 700-850 Mrd. Euro um 45% auf 450-550 Mrd. Euro reduziert werden – dies könnte den Strompreis von rund 50 Cent/kWh auf 36-38 Cent/kWh begrenzen. Dies geht aus einer neuen Analyse der Unternehmensberatung McKinsey & Company hervor, für die der Strombedarf von Industrie, Haushalten, Transport, Fernwärme, Wasserstoff, Datenzentren sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen modelliert und für die eine Umfrage unter mehr als 400 deutschen Unternehmen durchgeführt wurde. 

Stromnachfrage wächst nur 1-2% pro Jahr

„Die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft kommt – aber aktuell deutet vieles darauf hin, dass sie verzögert kommt“, sagt Alexander Weiss, Leiter der weltweiten Energieberatung bei McKinsey und Co-Autor der Studie.  „Natürlich wird es zusätzliche Bedarfe in den Bereichen Verkehr, Wasserstoff, Industrie und Haushalte geben. Aber sie werden nach unseren Analysen deutlich langsamer wachsen als bislang angenommen.“

In diesem als „Trendpfad“ bezeichneten Szenario wächst die Stromnachfrage nur um jährlich 1-2%. In einem ambitionierteren Szenario „Transformationspfad“ bei Erreichung aller politischen Ziele inklusive der Klimaneutralität bis 2045 würde die Stromnachfrage um 3-4% pro Jahr steigen. Doch selbst in diesem Szenario läge die Stromnachfrage 2030 mit 615 TWh immer noch unter den Annahmen der EEG-Novelle. Eine höhere Nachfrage ist langfristig vor allem in Haushalten durch Wärmepumpen, im Verkehr durch E-Mobilität sowie in Datenzentren zu erwarten.  

 „Es gilt, den Ausbau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten sowie des Netzes stärker am tatsächlichen Bedarf zu orientieren. Mit einer weniger stark steigenden Stromnachfrage muss der Ausbau der Erneuerbaren nicht so schnell wie bislang geplant erfolgen. Das Ziel, den Erneuerbaren-Anteil bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern sowie die Klimaschutzziele geraten damit nicht in Gefahr.“ Aktuelle Markttrends zeigen, dass der Wandel weniger schnell stattfindet als geplant: 2024 wurden nur 190.000 statt der geplanten 500.000 Wärmepumpen installiert, weniger als 400.000 E-Autos statt der geplanten 1,7 Mio. zugelassen und finale Investitionsentscheidungen für nur 500 MW Elektrolysekapazität statt 3.000 MW getroffen.

Einsparungen lassen sich durch den weniger stark steigenden Strombedarf in zwei Bereichen realisieren: Zum einen könnte der Kapazitätsausbau der Erneuerbaren um 40% zurückgefahren werden – vor allem für Photovoltaik. Zum anderen könnte dadurch auch der Netzausbau zielgerichteter erfolgen. „Bislang sind drei Viertel der Investitionen ins Stromnetz durch den Anschluss von Erneuerbaren getrieben – nur ein Viertel durch die Nachfrage“, so Weiss.