Der gewerbliche Immobilienmarkt zeigt erste Anzeichen einer Erholung. Das Transaktionsvolumen ist im vierten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 85% gestiegen. Dabei zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede: Während Wohnportfolios (5,2 Mrd. Euro) und Industrieimmobilien (3,5 Mrd. Euro) vorne liegen, ist das Volumen bei Büro- (2,8 Mrd. Euro) und Einzelhandelsimmobilien (2,4 Mrd. Euro) deutlich geringer. Im Bereich Finanzierung wird ein weiterer Rückzug von Publikumsfonds aus den Immobilieninvestmentmärkten erwartet, zeitgleich zeigt sich ein erhöhtes Interesse an neuartigen Vehikel- und Asset-Typen wie European Long-Term Investment Funds (ELTIFs), sowie dem Bereich Infrastruktur. Neue Möglichkeiten der Wertschöpfung ergeben sich für die Branche zusätzlich durch eine gezielte, umfassende und vor allem intelligente Dekarbonisierung des Altbestands oder den Einsatz von GenAI. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie „Erfolgreich die Marktdynamik im deutschen Immobiliensektor navigieren - Perspektiven und Handlungsansätze für 2025“, die die Unternehmensberatung McKinsey & Company veröffentlicht hat.
Anlagestrategien der Investoren verändern sich
„Wir beobachten auf dem Markt stark unterschiedliche Entwicklungen. Ob Markterholung, Investorenstrategien oder Wertschöpfungstreiber – die deutsche Branche ist von großer Komplexität geprägt. Für Akteure wird es noch wichtiger, abgestimmte Strategien, Portfolien und Prozesse zu entwickeln, um Gewinne zu erzielen“, erklärt Philipp Schaumburg, Partner im Münchner Büro von McKinsey. Auch wenn die Transaktionzahlen steigen, bleiben die Immobilienpreise unter Druck. Die Preise für Mehrfamilienhäuser und Büros sind von ihren Höchstwerten im Jahr 2022 um 7% bzw. 15% gefallen. Mehrfamilienhäuser zeigen erste Anzeichen einer Preisstabilisierung (+3% in vierten Quartal 2024 im Jahresvergleich), während Büro- und Einzelhandelsimmobilien weiterhin stagnieren (0-1% Preissteigerung im Jahresvergleich). Die Preisunterschiede werden vor allem von Standort und Qualität geprägt. Im Jahr 2024 waren die Preise für Wohngrundstücke in erstklassigen Lagen beispielsweise 3,5-mal höher als in durchschnittlichen Lagen innerhalb der Top-7-Städte Deutschlands.
Beim Eigentum zeichnet sich ein struktureller Wandel von inländischen institutionellen Immobilieneigentümern und privaten Investoren hin zu inländischen institutionellen Investoren ab. Der Anteil internationaler Käufer ist außerdem angestiegen und liegt bei etwa 47% der Käufe – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem COVID-19-Tiefpunkt von 32%. Auch bei den Eigenkapitalfinanzierungen gibt es Verschiebungen. Traditionelle Publikumsfonds beispielsweise verzeichnen Nettoabflüsse. Zeitgleich sieht man eine Verlagerung hin zu institutionellen Investoren, Mixed-Alternatives-Strategien und neuartigen Vehikeltypen wie ELTIFs und Infrastrukturinvestitionen. „Eine solche Polarisierung sehen wir auch in der Fremdkapitalfinanzierung. Banken haben ihre Kreditbedingungen verschärft, weshalb sich die Akteure zunehmend alternativen Finanzierungsquellen zuwenden – insbesondere Private Debt und Real Estate Debt Capital Markets“, sagt Niklas Nolzen, Partner im Münchner Büro von McKinsey. Mehr als 50% der führenden Immobilien-Assetmanager haben kürzlich Mixed-Alternatives-Fundraisings für Assets an der Schnittstelle von Immobilien und Infrastruktur, beispielsweise Rechenzentren, durchgeführt. Im Jahr 2024 wurde dabei ein neuer Rekordwert erreicht: Das Volumen von Investitionen in Rechenzentren mit bekannten Transaktionen hatte eine Höhe von 1,9 Mrd. EUR und ist somit von 2015 - 24 um rund 25% p.a. gewachsen.
Chancen durch Dekarbonierung, Konsolidierungsmöglichkeiten und GenAI
Ein weiteres Studienergebnis: In Zukunft wird es verschiedene Erfolgsfaktoren geben, von denen das Wachstum der Branche abhängt – neben den geo- und makro-politischen Weichen. Basierend auf einer guten, datengestützen Perspektive auf alle Assets steht weiterhin die „intelligente“ und datengetriebene Dekarbonisierung von Gebäuden. „Auch wenn Investitionen in grüne Gebäude zurückgehen, bleibt eine intelligente Dekabonisierung essenziell und kann gleichzeitig zum strategischen Wettbewerbsvorteil werden“, so Nolzen. Diese Entwicklung wird auch mit Blick auf die angekündigten Infrastruktur-Programme der Bundesregierung sicherlich an Relevanz gewinnen. Weitere Wachstumsmöglichkeiten bieten sich durch M&A-Aktivitäten in der Immobilienwertschöpfungskette: Zwar befindet sich die vorgelagerte Wertschöpfung in den Bereichen Finanzierung, Investition und Entwicklung noch in einer Erholungsphase, der nachgelagerte Teil – insbesondere Immobilien- und Gebäudemanagement sowie angrenzende Dienstleistungen wie Software oder Messtechnik – aber nimmt zu. Ein weiterer Hebel könnte GenAI werden: Werden beispielsweise Kernprozesse wie dieDokumentendigitalisierung und -verarbeitung sowie der Mieterinteraktion digitalisiert, kann GenAI die Produktivität um bis zu 15% steigern.