DÜSSELDORF. Europa wird zum weltweiten Vorreiter bei der E-Mobilität: 2020 wurden hier mit 1,4 Mio. Elektroautos – plus 138% im Vergleich zum Vorjahr – mehr Fahrzeuge mit alternativem Antrieb verkauft als in China oder den USA. Mit 43% Weltmarktanteil liegt Europa knapp vor China mit 41% und deutlich vor den USA, die auf 10% kommen. Mehr als jedes 10. in Europa zugelassene Auto hatte 2020 einen batterieelektrischen Antrieb (BEV) oder Plugin-Hybrid (PHEV). Dies ist mehr als dreimal so viel wie noch im Vorjahr, und deutlich höher als in China (5,6% Marktanteil) oder den USA (2,2%). Im ersten Quartal 2021 wurden in Europa mehr als 450.000 E-Autos verkauft – trotz nachlassender Dynamik im Vergleich zum Vorquartal noch immer eine Verdopplung im Vergleich zum 1. Quartal 2020. Innerhalb Europas gehen die nordischen Länder wie Norwegen (über 60% Marktanteil für E-Autos), aber auch Schweden, Dänemark und die Niederlande voran – hier liegen die Marktanteile verkaufter E-Autos über 20%. Bei der Produktion ist zu erwarten, dass chinesische und deutsche Hersteller in diesem Jahr mit rund 1,6 Mio. hergestellten E-Autos weltweit gleichauf sein werden; ab kommendem Jahr könnte Deutschland China dann knapp überholen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse des McKinsey Electric Vehicle Index, mit dem die Unternehmensberatung McKinsey & Company regelmäßig die Entwicklung der E-Mobilität in den 15 wichtigsten Ländern misst.
Pandemie keine Bremse: E-Autos gewinnen gegen den Markttrend
„Es ist kein Zufall, dass Europa zum führenden Markt für E-Mobilität wird“, sagt Patrick Schaufuss, Partner im Münchner Büro von McKinsey. „Staatliche Unterstützungsprogramme wie die Kaufprämien für E-Fahrzeuge sowie die strengen CO2-Vorgaben haben die Nachfrage nach und Produktion von Niedrig- und Nullemissionsfahrzeugen enorm angekurbelt. Zudem gehen viele Autohersteller mit ihren Dekarbonisierungsstrategien deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.“ Ein weiterer Grund ist die zunehmende Modellvielfalt und das damit wachsende Kundeninteresse: 2020 wurden in Europa bereits rund 160 E-Autos angeboten. Zum Vergleich: In China waren es knapp 250 Modelle, in den USA dagegen lediglich 50.
„Weltweit hat die E-Mobilität in einem durch die Coronapandemie geprägten Markt im vergangenen Jahr weiter gewonnen“ sagt Schaufuss. „Global nahmen die E-Auto-Verkäufe um 43% zu, während der Rest des Marktes um 16% eingebrochen ist.“ Stark nachgefragt wurden in Europa im internationalen Vergleich insbesondere Plugin-Hybride mit rund 623.000 Verkäufen; allerdings dominieren auch hier batterieelektrische Fahrzeuge, von denen knapp 800.000 Einheiten abgesetzt wurden.
Der Blick in die Modellplanung der Hersteller in den kommenden Jahren zeigt, dass dies erst der Anfang ist. Bis 2025 kommen mehr als 600 neue E-Auto-Modelle auf den Markt, der größte Anteil davon batterieelektrische Fahrzeuge. Allein in diesem und im kommenden Jahr sind über 300 E-Modelle angekündigt, die Hälfte davon im SUV-Segment.
Europa punktet zunehmend auch mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur: Die Niederlande haben mit über 65.000 öffentlichen Ladepunkten ein weitaus dichteres Netz als Deutschland mit 34.000. In unserem Nachbarland kommen damit auf einen Ladepunkt fünf E-Autos, in Deutschland sind es 23. Wir müssen die Ladeinfrastruktur deutlich schneller ausbauen, um mit dem E-Auto-Absatz Schritt zu halten. Bis 2030 müssten wöchentlich rund 10.000 neue Ladepunkte in Europa hinzukommen, um einen reibungslosen Hochlauf der E-Mobilität zu ermöglichen“, mahnt Schaufuss.
Dass China in der E-Mobilität weiter einen Führungsanspruch hat, zeigt der Blick auf das Ökosystem: neben dem höchsten Absatz reiner batterieelektrischer Fahrzeuge (1.1 Mio. 2020) und den meisten reinen BEV-Autofirmen (37 von 42 weltweit), fährt China auch bei der wichtigsten Komponente für das E-Auto, der Batterie, noch voran. 2020 wurden Zellen mit einer Kapazität von insgesamt 430 GWh in China hergestellt, in Europa und den USA waren es jeweils rund 60 GWh. „Diese Dominanz asiatischer Zellhersteller wird bis 2025 etwas zurückgehen, da Zellen immer regional produziert werden und insbesondere in Europa neue Zellhersteller entstehen“, sagt Schaufuss. Dann kommt China voraussichtlich noch auf einen Marktanteil von 58%, da der Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten in Europa und den USA zunehmend an Fahrt aufnimmt.
Methodik
Der von McKinsey entwickelte Electric Vehicle Index untersucht seit 2010 auf Länderebene, wo die für die Elektromobilität 15 wichtigsten Nationen jeweils stehen. Die untersuchten Länder sind: China, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Dänemark, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Schweden, Südkorea und USA. Der Index untersucht dabei die zwei wichtigen Dimensionen bei der Entwicklung der E-Mobilität, die Markt- und die Industrieseite.
Auf Marktseite wird zum einen analysiert, wie groß der Marktanteil von E-Fahrzeugen am Gesamtmarkt ist. Zum anderen werden Anreize wie Subventionen, die vorhandene Infrastruktur sowie das verfügbare Angebot von E-Fahrzeugen bewertet. Der Industrie-EVI untersucht, wie erfolgreich die jeweilige Automobilindustrie des Landes beim Thema E-Mobilität ist. Hierzu werden Faktoren wie der aktuelle und zukünftige Anteil an der weltweiten Produktion von Elektrofahrzeugen sowie wichtiger Komponenten wie E-Motoren und Batterien herangezogen.