In der Mode zählt Tempo: Discounter designen doppelt so schnell

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DÜSSELDORF. Digitale und soziale Medien haben das Kaufverhalten der Modekunden dramatisch verändert. Sie entdecken Trends in sozialen Medien, kaufen Mode über ihre Smartphones und erwarten, Trendstücke in kurzer Zeit in den Händen zu halten. Doch die wenigsten traditionellen Modeproduzenten halten bei diesem Tempo Schritt. Nur die besten haben ihre Abläufe so organisiert, dass vom Design der Kollektion bis zum Erreichen des (Online-)Shops (Go to Market) maximal sieben Monate vergehen. Dabei ist der Go-to-Market-Prozess entscheidend für den Verkaufserfolg der Ware: Je schneller modische Kleidung den Konsumenten erreicht, desto mehr Stücke können zum vollen Preis verkauft werden. 98% der Experten aus der Modeindustrie geben die Verbesserung dieser Go-to-Market-Prozesse daher als oberste Priorität an. Gleichzeitig sagen 92% der Befragten bei großen Modeunternehmen, ihr Unternehmen habe Probleme mit raschen Entscheidungen und der Einhaltung von Zeitvorgaben. Mehr als 70% der Modeunternehmen kreidet sich selbst an, neue Produkte zu langsam auf den Markt zu bringen und nicht über die nötigen digitalen Tools und Fähigkeiten zu verfügen. Zudem fehlten gute Planung und verlässliche Vorhersagen von Trends. 

Das sind zentrale Ergebnisse der McKinsey-Studie „Measuring the fashion world“. Für diese weltweite Studie wurden Managing Directors, Chief Supply Chain Officers und Chief Merchandising Officers befragt, die für Go-to-Market-Prozesse und in Summe 110 Milliarden US-Dollar Umsatz verantwortlich sind. 

Schnelligkeit verringert das Risiko von Fehlproduktionen 

„Schnelligkeit ist im Go-to-Market-Prozess so wichtig, da sie das Risiko verringert, falsche Produkte anzubieten oder sogar einen Trend komplett zu verpassen, was zu geringerem Verkauf und mehr Abschreibungen führt“, sagt Achim Berg, Seniorpartner bei McKinsey und Experte für die Modebranche. Je kürzer die Zeitspanne von Planung und Entwicklung bis zur Auslieferung, desto geringer das Risiko, die Konsumentenwünsche falsch zu deuten und das falsche Produkt auf den Markt zu bringen. Mit einem effizienten Go-to-Market-Prozess kann auch mitten in der Saison auf Trends schnell reagiert werden und produziert bzw. nachproduziert werden. „In der Modebranche gilt ‚Zeit ist Geld‘, da durch längere Go-to-Market-Prozesse Mitarbeiter in den Modeunternehmen an verschiedenen Kollektionen gleichzeitig arbeiten und Ineffizienzen entstehen.“

Vertikale Unternehmen, also Unternehmen ohne Großhandel, sind um 36% schneller als ihre Wettbewerber: Sie benötigen nur 28 statt 44 Wochen vom Entwurf bis zum Verkauf. Vor allem sind die Anbieter ohne Großhandel in der Design- und Entwicklungsphase schneller. Sie brauchen im Durchschnitt weniger als die Hälfte der Zeit: 11 statt 24 Wochen. Einer der Gründe für die langsameren Prozesse bei Unternehmen mit Großhandelsabsatz sind die zusätzlichen Abstimmungsprozesse, die sie mit ihren Geschäftspartnern haben. 
Vergleicht man das Tempo in verschiedenen Preissegmenten, dann zeigt sich: Bezahlbare Luxusmode und Premiumware kommt langsamer auf den Markt (nach 46 Wochen) als Produkte der mittleren Preiskategorie (35 Wochen). Hersteller von günstiger Mode und Discount benötigen nur 27 Wochen. Gerade in der Designphase sind die günstigen Anbieter besonders schnell: Sie brauchen nur eine Woche.

„Diese Unterschiede überraschen nicht, da Unternehmen aus dem günstigen Preissegment häufig einen Fashion-Follower-Ansatz haben, also erfolgreiche Designs schnell nachproduzieren und in den eigenen Geschäften zu einem sehr günstigen Preis anbieten“, sagt Miriam Heyn, McKinsey-Partnerin und Autorin der Studie. 

Trend zur Segmentierung 

Heute verfolgen Modeunternehmen häufig einen segmentierten Ansatz, um ihre Produkte herzustellen. Diese sog. Tracks verfolgen verschiedene Ziele oder definieren ein besonderes Geschäftsmodell:

Saisonale Kollektionen: Das grundlegende Geschäftsmodell der meisten Unternehmen, bei dem die Produkte für eine bestimmte Saison in normaler Geschwindigkeit entwickelt werden. Drei Viertel der Produkte werden in diesem Prozess hergestellt.

'Read and React': Die Auffüllung in der Saison erlaubt es Unternehmen, gut laufende Produkte schnell nach zu produzieren.

'Fast-track': Unternehmen können schnell auf verpasste Trends reagieren, um neue Produkte zu designen und zu produzieren.

Never out of stock (NOOS)/Basics: Kernprodukte, die über längere Zeiträume verfügbar sind. 

Rund die Hälfte der Befragten hat noch keine Konzepte für „Read and React“ und „Fast-track“ etabliert. 90% dieser Unternehmen glauben jedoch, dass die Nutzung der anderen Tracks sich vorteilhaft auf die Performance ihres Unternehmens auswirken würde. „Der Trend geht eindeutig in die Richtung der Segmentierung der Produkt-Erstellung, weil Geschwindigkeit nicht für alle Produkte gleich sinnvoll ist“, sagt Felix Rölkens, Co-Autor der Studie.  

Um die für den Verkauf der Ware so kritischen Go-to-Market-Prozesse zu beschleunigen, müssen Unternehmen stärker auf Digitalisierung und Analytics setzen. Digitale Tools können das Kundenerlebnis, die Markenstärke, die Prozesseffizienz, die finanzielle Performance und auch alle Schritte im Go to Market verbessern. „In der Verschmelzung von Kunst, also der Idee des Designers, und analytischer Wissenschaft liegt die Zukunft der Modeindustrie“, sagt Miriam Heyn.