Der Markt für Quanten-Computing-Technologien entwickelt sich rasant. Weltweit forschen und arbeiten aktuell schon mehr als 160 Unternehmen und Organisationen an Quantentechnologien. Die meisten von ihnen konzentrieren sich auf Systeme, Software und Algorithmen. 30 Firmen haben sich auf den Bau von Quantencomputern spezialisiert. Dies sind Ergebnisse des ersten Quanten-Computing-Monitors, mit dem die Unternehmensberatung McKinsey & Company künftig in regelmäßigen Abständen einen Überblick über den Markt liefert. „Der Markt für Quantentechnologien ist einer der spannendsten Zukunftsmärkte überhaupt. In diesem Jahr erreichen die Risikokapitalinvestitionen einen neuen Höchststand. Immer mehr neue Unternehmen und Organisationen beschäftigen sich mit den Potenzialen des Quanten-Computings“, sagt Niko Mohr, Partner aus dem Düsseldorfer Büro von McKinsey.
Ein Ländervergleich zeigt die derzeitige Dominanz der USA. So liegen die Vereinigten Staaten sowohl bei der Anzahl der Start-ups (33), etablierten Unternehmen (13), staatlichen Förderprogrammen (14) und akademischen Forschungsgruppen (38) vorne. Deutschland liegt mit acht Start-ups, einem staatlichen Förderprogramm, vier akademischen Forschungsgruppen - aber ohne etabliertes Unternehmen - auf dem vierten Platz hinter Kanada und Großbritannien.
Jährliches Investitionswachstum von über 400%
Quantencomputer versprechen in Zukunft exponentiell schneller zu sein als aktuelle Großrechner oder Server und werden gegenüber aktuellen Computern verschiedene Berechnungen mit mehreren Eingaben gleichzeitig vornehmen können. Die McKinsey-Analyse zeigt: Seit 2002 ist der Quantum-Computing-Markt gemessen an privaten Investitionssummen jährlich um über 400% gewachsen. Waren die Investitionen von Private-Equity-Anbietern und Risikokapitalgebern bis 2014 noch niedrigschwellig, ist vor allem seit 2014 ein sprunghafter Anstieg erkennbar. 2020 liegt die Gesamtinvestitionssumme bereits bei einer halben Milliarde US-Dollar und stellt damit einen neuen Höchstwert dar. Dabei fließen über 90% der Investitionen in die Arbeit von Hardwareanbietern. Gleichzeitig nahm die Zahl der Unternehmen zu: Waren es 2015 noch neun europäische Start-ups, stieg deren Zahl bis 2020 auf 45. Europa verfügt somit aktuell über mehr Quanten-Computing Start-ups als die USA mit 34. Doch die größeren Investitionssummen verbuchen die US-basierten Gründungen. Die zehn höchsten Investitionsrunden der vergangenen Jahre gingen fast ausschließlich in die USA (5) und Kanada (3).
Auch die staatliche Finanzförderung hat stark zugenommen. Deutschland nimmt mit einer Fördersumme von insgesamt 2,7 Milliarden US-Dollar aktuell einen internationalen Spitzenplatz ein. China übertrifft diesen Wert mit 2,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr jedoch deutlich.
Trotz des offenkundig gestiegenen Investoreninteresses können bislang nur etwa zehn Prozent der Firmen bereits marktreife Lösungen anbieten. „Aktuell lässt sich kaum voraussehen, wie schnell die Entwicklung weiterer Lösungen fortschreiten wird. Nicht ausgeschlossen, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis der Durchbruch im kommerziellen Bereich des Quanten-Computings gelingt. Andererseits sehen wir aktuell gerade im experimentellen Bereich so viel Aktivität wie nie zuvor. Dies führt erfahrungsgemäß zu sprunghaften Entwicklungen", sagt Anika Pflanzer, promovierte Quantenphysikerin und Partnerin im Münchner Office von McKinsey.
Pharma, Energie und Rohstoffe sowie Finanzsektor profitieren als erste
Die Ergebnisse einer ergänzenden Umfrage von McKinsey unter mehr als 300 Technologieverantwortlichen unterschiedlicher Branchen gibt zudem Aufschluss darüber, welche Branchen aktiv an der Nutzung von Quantentechnologien arbeiten und wo sich wirtschaftlicher Erfolg am schnellsten einstellen könnte. Dabei führt eine höhere Forschungsaktivität nicht zwangsläufig zu schnellerem Mehrwert. Folgende Kernindustrien könnten schon 2025 von den Entwicklungen im Quanten-Computing profitieren: Pharma, Energie und Rohstoffe sowie der Finanzsektor. Die Branchen, die derzeit am intensivsten an Quanten-Computing-Anwendungen forschen, sind etwa Telekommunikation, Technologie oder die Autoindustrie. Spezifische Anwendungsfälle wie Quantenoptimierungen oder Quantensimulation stoßen derzeit auf großes Interesse und könnten in einem industriellen Kontext Anwendung finden
„Auch wenn niemand zum jetzigen Zeitpunkt seriös voraussagen kann, wann eine breite Kommerzialisierung möglich wird, müssen sich Europa, Deutschland und die einzelnen Unternehmen schon jetzt intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Europa hat regelmäßig Schwierigkeiten, starke Grundlagenforschung in industrielle und kommerzielle Anwendungen zu bringen. China und die USA haben bereits groß angelegte Exzellenzzentren aufgebaut. Bestehende konzertierte Initiativen müssen unbedingt weiter ausgebaut werden", sagt Anika Planzer.