Die Entwicklung von Quantentechnologien schreitet voran und hat das Potenzial, bis 2035 Billionen von Dollar an Wert zu schaffen. Zu den Quantentechnologien (QT) zählen Quantencomputing (QC), Quantensensorik (QS) und Quantenkommunikation (QComm). Insbesondere im QC-Bereich profitieren vier Sektoren von zukünftigen QT-Anwendungen: Chemie, Biowissenschaften, Finanzen und Mobilität. Hier sind Umsatzerlöse und Kosteneinsparungen von bis zu zwei Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2035 möglich.
„Wir sehen im Quantencomputing bahnbrechende Fortschritte bei der Fehlerminderung und -korrektur. Dieser Fortschritt verkürzt die Zeitspanne erheblich, um universelle fehlertolerante Quantencomputer im Bereich der Geschäftsinformationen einzuführen“, sagt Henning Soller, Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Leiter der Quantum Technology Research. Start-ups wie Alice & Bob, QuEra, Quantinuum sowie große Unternehmen wie AWS, Amazon, IBM und Microsoft haben unterschiedliche Ansätze zur Fehlerminderung und -korrektur sowie Demonstrationen von logischen Qubits entwickelt.
Im Bereich der Quantenkommunikation arbeiten Forscher:innen daran, die Leistung bei der Verteilung von Quantenschlüsseln zu verbessern. Gleichzeitig werden bei der Quantensensorik neue Techniken entwickelt, um die Empfindlichkeit Sensoren zu verbessern.
Diese Ergebnisse stammen aus dem „McKinsey Quantum Technology Monitor 2024“. Die jährlich veröffentlichte Marktanalyse liefert einen aktuellen Überblick über den Reifegrad der Quantenindustrien, ihrer Akteure und Investitionen. Sie basiert auf proprietären Daten, externen Datenbanken und Experteninterviews.
KI und QT: Konvergierende Technologien im Investitionswettbewerb – Deutschland bei öffentlichen Investitionen mit Spitzenplatz
Obwohl die Wertschöpfungspotenziale gestiegen sind, sind die jährlichen Gesamtinvestitionen in QT-Startups im Jahresvergleich um 27% auf 1,7 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Auch der Umfang und die Anzahl der Deals sanken im Jahr 2023 deutlich. Entsprechend reduzierte sich die Anzahl neu gegründeter Start-ups weltweit von 23 im Jahr 2022 auf 13 im Jahr 2023. „Das Quantentechnologien-Ökosystem musste zwar mit weniger Investitionskapital auskommen. Doch das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Technologien scheint größer zu als im übrigen Start-up Ökosystems. Die Technologien sind sehr komplex. Wer hier investiert, hat sich intensiv mit der Technologie und ihren Möglichkeiten beschäftigt“, sagt Niko Mohr, Partner im Düsseldorf Büro von McKinsey und globaler Leiter des Bereichs für Quantentechnologien.
Während die privaten Investitionen in QT-Start-ups 2023 sanken, stieg der Anteil der öffentlichen. Dabei ging der Großteil der Mittel an Unternehmen (62%), die vor fünf oder mehr Jahren gegründet wurden. Vor allem Deutschland, Großbritannien, Südkorea und Indien kündigten umfangreiche neue Finanzmittel für die QT-Entwicklung an, sodass die globale öffentliche Finanzierung bis heute auf etwa 43 Milliarden US-Dollar anstieg. Deutschland liegt bei den öffentlichen Investitionen nach China (15,3 Milliarden US-Dollar) mit 5,2 Milliarden US-Dollar auf Platz zwei. Im April 2023 verkündete die deutsche Regierung den Aktionsplan für Quantentechnologien, um technologische Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dieser Plan beinhaltet die Bereitstellung von 3,3 Milliarden US-Dollar für den Bau eines universellen Quantencomputers bis 2026. Mohr: „Entscheidend ist nun, dass die finanziellen Mittel rasch im Markt ankommen.“
Es gibt mehrere Faktoren, die den Rückgang der privaten Investitionen in QT begründen. „Dazu zählt auch eine deutliche Verlagerung des Investitionsschwerpunkts auf generative KI sowie die verbleibende Wahrnehmung, dass das Potenzial von Quantentechnologien in verschiedenen Sektoren noch nicht verstanden und bewertet wird“ sagt Henning Soller. „Die Finanzierung von QT ist vergleichbar mit der von KI vor einem Jahrzehnt, wenn man das reine Transaktionsvolumen vergleicht.“ Zum Vergleich: Das kumulierte 3-Jahres-Dealvolumen für QT ist bereits höher als das für KI vor 10 Jahren. Die Anforderungen für die Entwicklung von QT unterscheiden sich jedoch von denen für KI in Bezug auf Hardware (insbesondere) und Software, was sich auf die Finanzierungsanforderungen und die Zeitpläne für die technische Reife auswirkt.
Aber auch technologisch gibt es eine Verbindung zwischen KI und QT. „Beide Technologien werden früher oder später zusammenwachsen“, sagt Soller. „Wenn Sprachmodelle noch größer und komplexer werden, ist irgendwann ein Punkt erreicht, wo die Rechenleistung nicht mehr ausreicht. Dann kann Quantencomputing die Lösung sein.“
Globale Forschung, Patente und Talente: Europa spielt oben mit
Die Entwicklung von Talenten machte 2023 einen bemerkenswerten Schritt nach vorne. Im Jahr 2023 gab es 367.000 Absolventen mit QT-relevanten Abschlüssen. Zukünftigen Absolvent:innen wird ein größere Auswahl an Studiengängen zur Verfügung stehen. Weltweit bieten immer mehr Universitäten QT-Programme an: Mittlerweile gibt es weltweit 55 QT-Masterstudiengänge (+10% mehr als im Vorjahr) und 195 Universitäten mit QT-Forschungsgruppen (+8,3%). Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben die höchste Anzahl und Dichte von Absolventen in QT-relevanten Bereichen, gefolgt von Indien bei der Anzahl und der Europäischen Union bei der Dichte. Auf die Europäische Union entfallen 44% der insgesamt erteilten Patente in QT.
„Es gibt jedoch mehrere Herausforderungen, die angegangen werden müssen, um das Talent und die Investitionen in die Quantentechnologie voll zu nutzen. Dazu zählen der eingeschränkte Zugang zu Hardware und Infrastruktur, das zum Teil fehlende Bewusstsein für und die Einführung von Quantentechnologien sowie ein Mangel an interdisziplinärer Koordination“, sagt Niko Mohr.
Um die Entwicklung der Quantentechnologie zu beschleunigen, bilden sich weltweit Innovationscluster. Diese Cluster umfassen Partnerschaften zwischen Forschern, Branchenführern und staatlichen Stellen. Sie beinhalten akademische Zentren, staatliche Unterstützung, Unternehmertum und Industriepartnerschaften. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu fördern, den Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen und die Kommerzialisierung von Quanteninnovationen voranzutreiben. Beispiele in Deutschland sind etwa das Quantum Valley in München und das Cluster in Baden-Württemberg.