DÜSSELDORF. Online-Nutzung auf dem Vormarsch: Die Corona-Pandemie hat weltweit dazu geführt, dass immer mehr Verbraucher digitale Dienste nutzen. Rund 80% der Europäer mit Internetzugang haben während der vergangenen sechs Monate mindestens einen digitalen Dienst der Sektoren Lebensmittel, Banking, Versicherungen, Einzelhandel, Unterhaltung, Bildung, öffentliche Verwaltung oder Gesundheit genutzt. Nahezu jeder fünfte deutsche Verbraucher mit Internetzugang hat erstmals online eingekauft, digitale Lernangebote ausprobiert, digitale Behördengänge erledigt oder Unterhaltungsplattformen in Anspruch genommen.
Dies sind zentrale Ergebnisse des "Digital Sentiment Survey", einer repräsentativen Umfrage von McKinsey & Company, an der zwischen dem 5. und 10. April über 20.000 europäische Konsumenten (18-85 Jahre) aus 19 Ländern, darunter über 1.200 aus Deutschland, teilnahmen. Die online-gestützte Umfrage untersucht, wie sich das digitale Nutzungsverhalten der Verbraucher binnen der vergangenen sechs Monate verändert hat und liefert eine Prognose, wie langfristig die Verhaltensänderungen sein werden. Der Digital Sentiment Survey 2021 ist die Neuauflage einer erstmaligen Umfrage von 2020.
Obwohl die Nutzung digitaler Dienste in der Pandemie stark gestiegen ist, sind Deutschlands Verbraucher weiterhin weniger digital als ihre Nachbarn. Entsprechend rangiert Deutschland mit 65% digitaler Nutzer auf dem vorletzten Platz. Weniger digital sind nur die Schweizer Verbraucher (64%). Das Vereinigte Königreich hat mit 86% den derzeit höchsten Anteil an digitalen Nutzern in Europa, gefolgt von Frankreich (82%) und den Niederlanden (80%).
Trotz des vorletzten Platzes überwiegt auch in Deutschland während der Pandemie die Nutzung digitaler Kanäle und Dienstleistungen gegenüber analogen Alternativen. Vieles davon ist darauf zurückzuführen, dass ganze Sektoren aufgrund der Pandemie zu digitalen Angeboten gezwungen werden. Doch nicht jedes digitale Angebot genießt die gleiche Akzeptanz bei den Verbrauchern: Während 83% der deutschen Verbraucher für den Lebensmitteleinkauf den Gang ins Geschäft präferieren, werden Angebote von Unternehmen der Branchen Versicherung (89%), Unterhaltung (96%), Telekommunikation (86%) oder Finanzdienstleistungen (78%) vorwiegend digital genutzt.
„Nicht nur Unternehmen aus Deutschland, sondern auch seine Bürger transformieren sich digital. Aber es zeigt sich auch, dass wir als Gesellschaft noch stärker die Chancen der Digitalisierung betonen müssen, wenn wir nicht dauerhaft als digitale Bummler wahrgenommen werden wollen“, sagt Gérard Richter, Leiter von McKinsey Digital in Deutschland und Seniorpartner im Frankfurter Büro von McKinsey.
Jojo-Effekt deutet sich an: Verbraucher sehnen sich nach physischen Interaktionen
Auch wenn digital seit Ausbruch der Pandemie zum bevorzugten Mittel der Interaktion avancierte, deutet sich bereits ein Umschwung an: 65 Millionen Europäer erwarten, dass ihre Online-Aktivitäten mit zunehmender Verflachung des Pandemiegeschehens ebenfalls abnehmen werden. Darunter befinden sich 40 Millionen, die ihre Online-Aktivitäten gerade erst gesteigert haben.
„Die digitale COVID-19-Dividende hat ihren Höhepunkt erreicht. Vielen sehnen sich nach physischer Nähe und werden – zumindest teilweise – wieder zu ihren bevorzugten analogen Kanälen zurückkehren“, so Gérard Richter. Knapp 9 Millionen deutsche Nutzer wünschen nach der Pandemie wieder physischen Kontakt mit Unternehmen, deren Dienstleistungen und Angeboten.
Die Beantwortung der Frage, wie treu Verbraucher gegenüber den neu adaptierten digitalen Diensten in Zukunft sein werden, wird durch die Nutzungszufriedenheit und auch die Innovationskraft jedes Sektors mitgeprägt. Auch wenn die Corona-Pandemie das Nutzungsverhalten in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Lebensmittel in Deutschland besonders stark verändert hat, wurden hierdurch doch Mängel bei vorhandenen digitalen Angeboten offensichtlich: So ist knapp jeder fünfte befragte Verbraucher mit den digitalen Angeboten der öffentlichen Verwaltung unzufrieden, 28% sind weder besonders zufrieden noch unzufrieden. Demgegenüber sind nur 1% der Verbraucher von Unterhaltungs-Services mit dem Angebot unzufrieden.
Zwei der Hauptgründe für die Unzufriedenheit mit digitalen Diensten sind in Deutschland über alle Branchen hinweg, dass online nicht alle Produkte und Dienstleistungen des jeweiligen Anbieters zur Verfügung stehen (durchschnittlich 24%) sowie schlechter Kundenservice. „Das Ende der Pandemie kommt nicht so plötzlich, wie sie begonnen hat. Uns steht eine Phase der Erholung bevor, die vor allem digital rückständigere Branchen nutzen müssen, um weiter aufzuholen. Digitale und analoge Angebote sollten gleichwertig betrachtet und verbraucherfreundlich gestaltet werden“, erläutert Gérard Richter die Studienergebnisse. So wünschen sich etwa 25% der Verbraucher die Möglichkeit, Artikel, die online gekauft wurden, im stationären Handel abholen oder zurückgeben zu können.
Deutsche sorgen sich um ihre persönlichen Daten
Denn gerade in Deutschland sehen sich Unternehmen besonders kritischen Verbrauchern gegenüber. In keinem europäischen Land ist das Misstrauen gegenüber digitalen Angeboten so ausgeprägt wie in Deutschland. Auf einer Vertrauensskala von eins bis fünf liegt der Vertrauensgrad der deutschen Nutzer bei 3,42. Der wichtigste Vertrauensfaktor ist der sorgsame Umgang mit persönlichen Daten (48%). Allerdings fürchtet jeder fünfte Befragte, dass die Daten nicht entsprechend geschützt werden. Die Sorge vor einem unsicheren Online-Bezahlvorgang spielt dagegen kaum eine Rolle (13%). Das höchste Vertrauen in digitale Dienste und Angebote haben Finnen (3,7) und Norweger (3,66).
„Unsere Umfrage zeigt einen deutlichen Mangel an Vertrauen in die Fähigkeit von Organisationen, persönliche Daten zu schützen. Organisationen müssen dieses wachsende Problembewusstsein sehr ernst nehmen und Datenschutz als Differenzierungsmerkmal oder sogar Wettbewerbsvorteil nutzen. Dafür ist es nötig, wirksame Maßnahmen für die sichere Datenverarbeitung und -infrastruktur zu ergreifen, und sehr verständlich und transparent zu kommunizieren. Nur so kann verloren gegangenes Vertrauen wieder aufgebaut werden”, sagt Gérard Richter.