30% mehr Gehalt durch Jobwechsel – warum sich Mut bei der Karriere auszahlt – mit Angelika Reich

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Angelika: Mutige und häufige Jobwechsel zahlen sich auf dem Lohnzettel aus. Jeder freiwillige Jobwechsel bringt Arbeitnehmern im Schnitt etwa 30 % mehr Gehalt und auch jede Menge neue Skills, die dann wiederrum den Unternehmen zugutekommen.

Adriana: Das sagt Angelika Reich, sie ist Expertin für Transformationen in Unternehmen und die Herausforderung, die diese für die Belegschaft insbesondere bei den Themen Umschulung und Weiterqualifizierung bringen. Angelika ist Partnerin im Wiener Büro von McKinsey. Ich bin Adriana Clemens, der Host, dieses Podcasts. Gemeinsam sprechen wir heute über den Einfluss von Job Wechseln Berufserfahrung und Mut auf das Gehalt.

Angelika 30 % mehr Gehalt durch häufige Rollen und Jobwechsel. Woran liegt es, dass sich häufige Jobwechsel so dermaßen im Gehalt niederschlagen?

Angelika: Das Mckinsey Global Institut, unser globaler Think Tank, hat sich unter anderem eine Million Berufs Profile aus Deutschland auch zehntausende Stellenausschreibungen angesehen. Wir haben dadurch versucht, den beruflichen Werdegang von Arbeitnehmern besser zu verstehen. Dabei hat unsere Studie festgestellt, dass die durchschnittliche Person im Verlauf von etwa zehn Jahren zwei bis vier Mal ihre berufliche Position wechselte.

Das heißt, auf alle Rollen und Jobwechsel bezogen, auch zum Beispiel Arbeitsplatzverlust berücksichtigt, dass die Gehaltssteigerung im Schnitt etwa 5 % beträgt. Hingegen gibt es Gruppen, die deutlich größere Gehaltssprünge, nämlich 30 bis 45 % schaffen und das sind gerade diejenigen Berufstätigen, die den Job öfter gewechselt haben. In Deutschland war das ungefähr fünfmal im Verlauf von zehn Jahren. Das heißt mutige und häufige Jobwechsel, bei dem Arbeitnehmer viele neue Fähigkeiten lernen, die zahlen sich auch auf dem Lohnzettel aus. Und jeder freiwillige Jobwechsel bringt den Arbeitnehmern dabei im Schnitt etwa 30 % mehr Gehalt und jede Menge neue Skills, die dann wiederum den Unternehmen zugutekommen. Eine Kernerkenntnis daraus ist, dass die Rollen- und Jobwechsel einen großen Einfluss auf die Fähigkeiten haben, die Arbeitnehmer sich dabei neu aneignen müssen. Das heißt also, dass die Berufserfahrung, die man dabei sammelt, ein großer Faktor für die Gehaltsentwicklung ist und damit auch langfristig für den Aufbau von Wohlstand. In Summe trägt Berufserfahrung im Schnitt zur Hälfte des Lebenseinkommens bei, also das Einkommen über das ganze Leben betrachtet, wenn man von einem Durchschnittsperson ausgeht, wenn man zum Beispiel Menschen mit geringerer Bildung betrachtet, da kann Berufserfahrung auch deutlich mehr Anteil des Lebenseinkommens ausmachen, nämlich zwischen 60 und 80 %. Das heißt, dass Bildung zwar ein entscheidender Faktor ist für Wohlstand und das Lebenseinkommen, aber es hängt nicht unbedingt von der Bildung ab. Das heißt, Menschen, die zum Beispiel aufgrund von mangelnder Qualifikation mit Nachteilen beginnen, können durchaus durch die Aneignung von Fähigkeiten und durch Berufserfahrung wieder viel an Boden gutmachen.

In Summe kann man also sagen, dass Berufserfahrung besonders wichtig ist für Arbeitnehmer, insbesondere jene, die im Laufe ihres Lebens auch in höhere Gehaltsklassen aufsteigen wollen und deutlich mehr Wohlstand aufbauen möchte.

Adriana: Das leuchtet ein, dass man mehr verdient, wenn man sich mehr Berufserfahrung aneignet, aber du hast ja auch gesagt, dass einige es schaffen, ganze Gehaltsklassen zu überspringen oder eine höhere Gehaltsklassen aufzusteigen. Wie schaffen die das, was genau machen sie anders als andere?

Angelika: Unsere Analyse hat gezeigt, dass es hier etwa um ein Drittel der Arbeitnehmer geht, die es von ihrem Ausgangspunkt aus schaffen, einen oder mehrere Gehaltsklassen aufzusteigen. Das sind, wie gesagt, diejenigen Arbeitnehmer, die häufiger den Job und ihre Rolle wechseln, aber sie sind auch deutlich mutiger bei der Job Wahl. Das heißt, sie scheuen keine Jobwechsel, bei denen sie sehr viele neue Fähigkeiten erlernen müssen, beziehungsweise für die sie am Anfang noch gar nicht die verlangten Qualifikationen erfüllen. Wir nutzen hier den Begriff der sogenannten „Skill Distanz“, das heißt der prozentuale Anteil neu hinzugewonnener Fähigkeiten im Vergleich zu den Gesamtfähigkeiten eines Arbeitnehmers. Und je größer dieses „Skill Distanz“ ist, desto größer sind auch die Gehaltssprünge. Das zeigt unsere Analyse. Im Schnitt beträgt die „Skill Distanz“, wenn man eine Rollenwechsel vornimmt, etwa 25 % oder mehr. Das heißt, bei einem Rollenwechsel muss ein Arbeitnehmer etwa 25 % neue Fähigkeiten aufbauen, die er oder sie im vorherigen Job noch nicht genutzt hat.

Adriana: Wie sieht das bei den Arbeitnehmern aus, die diese Gehalts Sprünge schaffen?

Angelika: Die wechseln sogar noch mit einer deutlich höheren „Skill Distanz“. Dort beträgt sie etwa 45 %. In anderen Worten, fast die Hälfte der Fähigkeiten müssen diese bei einem Jobwechsel neu erlernen. Das spricht aber auch wiederum für das enorme Potenzial, das beim Menschen freigesetzt werden kann, wenn sie mutige Rollen- oder Jobwechsel machen.

Das heißt, der Schlüssel zum beruflichen Aufstieg liegt oft darin, dass man häufiger die Rolle wechseln, aber dabei auch deutlich in seine eigenen Fähigkeiten und seine Weiterentwicklung investiert und das schlägt sich dann im Endeffekt auch wiederum auf dem Lohnzettel wieder.

Adriana: Und was heißt das jetzt für die Unternehmen?

Angelika: Unternehmen heißt das primär, dass sie Bewerberinnen und Bewerber nicht unbedingt nach ihren aktuellen Aufgaben beurteilen sollen, sondern durchaus auch nach ihren intrinsischen Fähigkeiten und dem Potenzial, das die Bewerber mitbringen. Viele Arbeitgeber könnten durchaus davon profitieren, dass sie ihre oft sehr traditionellen Besetzungspraktiken hinterfragen, dass man sich überlegt, wie können wir Bewerber nach ihren Fähigkeiten beurteilen, wie können wir diese messbar machen, wie können wir auch das intrinsische Potenzial, das Bewerber mitbringen, verstehen und besser nutzen? Und diese Offenheit gegenüber unkonventionellen Bewerbern kann Arbeitgebern ganz neue Opportunitäten auch bei der Personalentwicklung und auch der Performance ermöglichen.

Adriana: Welche Rolle spielen denn Unternehmen bei der Aneignung dieser Berufserfahrung und damit dann ja auch bei der Gehaltsentwicklung für die Arbeitnehmer?

Angelika: Unternehmen spielen dabei eine ganz besondere Rolle. Insbesondere auch die Zeit, die man zu Beginn seiner Karriere in einem Unternehmen verbracht hat, ist besonders wichtig, weil ein Arbeitnehmer dabei auch die Kultur wie mit Weiterentwicklung, wie mit Mobilität umgegangen wird, erlernt. Man sieht auch in Daten, das Unternehmen, die viel in Weiterbildung investieren, ihre Talente besser entwickeln und dass auch ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Verlauf ihrer Karriere ein deutlich höheres Einkommen aufweisen. Es ist zwar immer noch so, dass etwa 80 % der Arbeitsplatzwechsel auch mit einem Wechsel des Arbeitgebers einhergehen, das muss aber nicht zwingend so sein. Es liegt oftmals auch daran, dass Mobilität institutionell intern schwieriger ist, dass viele Arbeitgeber das auch nicht fördern. Und wenn man diesen Kreis durchbricht, wenn Unternehmen es schaffen, lernende Organisationen zu werden, um für Talente attraktiver zu sein und sie auch effektiv weiterzubilden, dann kann das einen sehr positiven Effekt und auch ein Gegenmittel für die aktuell sehr hohe Fluktuation bieten. Im Moment sehen wir einen deutlichen Arbeitskräftemangel am Markt. Millionen von Menschen fragen sich, was sie mit ihrer Arbeit erreichen wollen und sind bereit, auch ihren Arbeitgeber zu verlassen und für viele Unternehmen liegt aber der Schlüssel genau darin, Teil dieses Stroms zu werden und als bevorzugte Arbeitgeber aufzusteigen und dann auch wieder, um neue Talente anzulocken und bestehende Talente effektiv zu halten und weiterentwickeln zu können.

Adriana: Wir nehmen also mit, häufige und mutige Job- und Rollenwechsel rechnen sich für Arbeitnehmer. Je häufiger wir den Job wechseln und je mehr Neues wir in einem Job lernen, desto besser für unsere Gehaltsentwicklungen. Aber auch die Wahl der ersten Arbeitgeber ist entscheidend für unser Lebenseinkommen. Je mehr Wert unser Arbeitgeber auf die Weiterentwicklung seiner Belegschaft legt, umso besser für uns und für die Unternehmen.

Danke, Angelika. Und das war es schon bei Tomorrow – ein McKinsey Podcast. McKinsey ist eine weltweite Unternehmensberatung, sie hilft Organisationen nachhaltiges, integratives Wachstum zu erzielen.